Wien 08.08.2021 – Der Bericht enthält viele wichtige Empfehlungen. Eine Ihrer Handlungsempfehlungen betrachten wir allerdings mit großer Sorge. Ihre Sachverständigenkommission empfiehlt, „altruistische“ Leihmutterschaft in Deutschland zu legalisieren. Die Leihmütter sollen von Anfang bis Ende „selbst bestimmt handeln“ können und eine „staatlich begrenzte Aufwandsentschädigung“ erhalten. Erst einige Wochen nach der Geburt sollen sie entscheiden müssen, ob sie das Kind an die Auftragseltern herausgeben oder nicht.

 

Begründet wird diese Empfehlung in Ihrem Bericht unter anderem mit einem „Recht auf Fortpflanzungsfreiheit“, welches derzeit insbesondere für homosexuelle Paare oder Menschen mit geringem Einkommen nicht realisiert sei. Auch werden die Probleme der Klärung der rechtlichen Elternschaft angeführt, die sich durch eine im Ausland genutzte Leihmutter ergeben. Darüber hinaus wird argumentiert, dass Leihmutterschaft besser kontrollierbar werde, wenn sie in Deutschland legal sei.

 

Als Initiative „STOPPT Leihmutterschaft“ kritisieren wir Ihre Handlungsempfehlung und Ihre Argumentation scharf.

 

Vor allem folgendes Argument ruft Befremden bei uns hervor: „Es (ein Verbot der Leihmutterschaft, Anm.) wird im Wesentlichen mit dem Schutz der Menschenwürde begründet. Auf die Würde des Kindes zu verweisen, kann hier aber kaum überzeugen, da dieses anderenfalls überhaupt nicht gezeugt würde.“

 

Mit diesem Argument kann man jede Rücksicht auf die Bedürfnisse und Rechte von (ungeborenen) Kindern hintanstellen. Selbstverständlich trifft etwa ein Leihmutterschaftsvertrag, wo ein Kind, das ja später gezeugt und auf die Welt gebracht werden soll, zu einem Verhandlungsobjekt degradiert wird, die Menschenwürde. International ist in zahlreichen Konventionen vereinbart, dass der Mensch keine Ware sein soll. Deshalb wurde die Sklaverei abgeschafft, deshalb ist Menschenhandel verboten. In der Kinderrechtskonvention ist im Artikel 37 festgehalten, dass ein Kind das Recht hat, nicht gegen Geld gehandelt zu werden, und zwar egal zu welchem Zwecke. Ob man nun einer Leihmutter eine „Aufwandsentschädigung“ für Schwangerschaft und Geburt bezahlt oder ein Honorar ist letztlich nur eine begriffliche Unterscheidung, denn de facto kommt es hier zu einem sale of children, da die Leihmutter nicht nur für die Schwangerschaft an sich bezahlt wird, sondern den Großteil des Geldes bekommt sie, wenn sie ein Kind „liefert“ und das muss natürlich ein gesundes Kind sein. Hier keine Verletzung der Würde und Rechte des Kindes zu sehen, ist bemerkenswert.

Weiters führen Sie an: „Dass bisher auch nicht nachgewiesen werden konnte, dass eine gespaltene Mutterschaft – eine solche liegt hier vor, wenn die Eizelle von einer Spenderin stammt – das Kindeswohl beeinträchtigt, wurde bereits dargelegt (siehe unter Kapitel 3.3.1). Auch sonstigen Studien zufolge zeigen sich keine negativen Auswirkungen auf Kinder, die von einer Leihmutter ausgetragen wurden.“

 

Es gibt nach wie vor wenige Studien zum Thema, vor allem mangelt es an Langzeitstudien der Kinder, die aus Leihmutterschaften hervorgegangen sind. Gegenüber Kindern wird häufig ihre Herkunft geheim gehalten. Dieses Familiengeheimnis belastet die Eltern-Kind-Beziehungen und die Identitätsfindung der Kinder massiv. Kinder, die durch Leihmütter ausgetragen werden, entstehen immer durch eine künstliche Befruchtung. Hier keinerlei negative Folgen für Kinder und Frauen zu sehen – trotz zahlreicher Studien – ist ebenfalls eine Realitätsverweigerung.

Ein fremdes Kind auszutragen, stellt für die gebärende Frau einen tiefgreifenden Einfluss dar, sowohl medizinisch als auch psychologisch. Obwohl es sich bei Leihmutterschaft immer um Hochrisiko-Schwangerschaften handelt, liegen kaum Studien über die kurz- und langfristigen psychischen und körperlichen Folgen vor. Bei dieser fremdnützigen Methode müssen Frauen intensiv und mehrfach hormonell stimuliert werden. Die künstliche Befruchtung (IVF) wird bei Leihmüttern mit körperfremden Keimbahnzellen durchgeführt. Die Frauen müssen gehäuft Fehlgeburten verkraften, das Fremde in sich einerseits annehmen, andererseits stehen sie unter Druck, nur ein gesundes Kind zur Welt bringen zu dürfen.

 

Leihmütter werden zu „Miet-Gebärmüttern“ degradiert. Es handelt sich um eine Vermarktung und Ausbeutung des weiblichen Körpers, welche erhebliche gesundheitliche und psychische Folgen für die Leihmütter mit sich bringt. Die Reproduktionsmedizin ist nicht so erfolgreich, wie oft erhofft und propagiert wird. In der Mehrzahl der Fälle sind auch bei einer Leihmutter mehrere Versuche nötig, was eine erhebliche Belastung für die Frauen darstellt. Zusätzlich stellt die Unterdrückung der natürlichen Bindung zum Fötus für Leihmütter eine psychische Belastung dar.

 

Bei der Leihmutterschaft wird das Kind zum Gegenstand eines Vertrages und zu einer Ware. Damit die Ware Kind in dem von den Auftragseltern gewünschten Zustand geliefert wird, haben die Auftragseltern meist ein Mitspracherecht über medizinische Entscheidungen während der Schwangerschaft. Die Verträge zwischen den Auftragseltern und der Leihmutter sind oft so abgefasst, dass die Leihmutter dazu verpflichtet ist, die Schwangerschaft abzubrechen, wenn das Kind möglicherweise eine Behinderung hat. Als belastend erleben viele Leihmütter auch die gängige Praxis, das Leben von einem oder mehreren Föten in der zehnten bis zwölften Schwangerschaftswoche zu beenden, wenn die Auftraggeber keine Zwillinge oder Drillinge wollen.

 

Wir verstehen die Sehnsucht vieler Menschen nach Elternschaft. Doch bei allem Verständnis dafür, sind Grenzen dort zu ziehen, wo die Erfüllung des Kinderwunsches zu Lasten anderer Menschen geht und gegen ethische Grundsätze verstößt. Die Menschenrechte bieten uns eine wichtige Orientierung, wo diese Grenzen zu ziehen sind.

 

Es gibt kein Recht auf ein eigenes Kind und kein absolutes Grundrecht auf Fortpflanzung. Die Praxis der Leihmutterschaft steht im Widerspruch zu den Grundsätzen sämtlicher internationaler und europäischer Menschenrechtsabkommen.

 

Frauen sind keine Produktionsstätte und Kinder keine Ware. Wir werden uns deshalb weiterhin für die Beibehaltung nationaler Verbote der Leihmutterschaft einsetzen sowie für die globale Abschaffung dieser menschenunwürdigen Praxis in einem kapitalistischen System, das jene privilegiert, die Macht und Geld haben.

 

Weitere Informationen zu unserer Position finden Sie hier: STELLUNGNAHME | Stoppt Leihmutterschaft (stoppt-leihmutterschaft.at)