Kontext: Von 2016-2022 tagte eine Expertengruppe des HCCH deren Mandat es war, die Möglichkeit weiterer Regulierung grenzüberschreitender Leihmutterschaft im internationalen Privatrecht durch völkerrechtliche Instrumente zu prüfen. Die Expertengruppe 2016-2022 hat ehrbare Ziel verfolgt. Das nach 6 Jahren vorgelegte Ergebnis zeigt aber, dass der Ansatz in Bezug auf Leihmutterschaft nicht zielführend ist: Regulierung um den Preis von Menschenrechtsverletzungen darf es nicht geben. Im Jahr 2023 ist eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die internationale Instrumente zur „rechtlichen Elternschaft“ einschließlich Leihmutterschaft weiter vorantreiben soll.

Forderungen:

  1. Wir verlangen die Beendigung des Mandats der Arbeitsgruppe, soweit es rechtliche Regulierung und nicht ein Verbot der Leihmutterschaft betrifft.
  2. Wir fordern die Respektierung der völkerrechtlichen Normen sowie der nationalen Verbote von Leihmutterschaft (wo diese existieren) und eine Stärkung der existierenden Regeln zur Adoption als beste Option zur Sicherung des Kindeswohls.
  3. Wir treten mit Nachdruck einer Aushebelung nationaler Verbote sowie einer Stärkung der nachweislich menschenrechtswidrigen Praxis der Leihmutterschaft durch Regulierung im Bereich des Internationalen Privatrechts entgegen.

Wir erheben diese Forderungen auf der Grundlage der nachfolgenden Befunde und Erwägungen:

1) Jede Form der Leihmutterschaft ist unvereinbar mit internationalen Rechtsinstrumenten, den Grundsätzen des Völkerrechts und dem Konzept der universellen Menschenrechte selbst.

– {Leihmutterschaft} verstößt gegen das Recht auf Gleichheit in Artikel 1 der AEMR (und anderen verbindlichen Instrumenten)

– Verstößt gegen die Verpflichtung der Staaten, die Entführung, den Verkauf oder den Handel von Kindern zu jeglichem Zweck und in jeglicher Form gemäß Artikel 35 der KRK zu verhindern.

– Verstößt gegen das Recht der Kinder, ihre Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden (Art. 7, 8 KRK) und verstößt potenziell potenzieller Verstoß gegen das Recht der Kinder, nicht gegen deren Willen von ihren Eltern getrennt zu werden (Art. 9 KRK).

– Verstößt gegen das Verbot des finanziellen Gewinns und der Veräußerung eines Teils des menschlichen Körpers (Artikel 21 Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin).

– Die bestehende Praxis der Leihmutterschaft entspricht in den meisten Fällen der Definition von Sklaverei als „Status oder Zustand einer Person, über die eine oder alle mit dem Eigentumsrecht verbundenen Befugnisse ausgeübt werden“ (Artikel 1 UN-Sklavereikonvention).

– Dies gilt für alle Formen der Leihmutterschaft, unabhängig davon, ob sie als „kommerziell“ oder „uneigennützig“ („altruistisch“) eingestuft werden oder auf eine andere Weise, die lediglich den ausbeuterischen Charakter der Praxis verschleiert.

– Nach dem Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption ist Leihmutterschaft dem Verkauf von Kindern gleichgestellt, da die Einwilligung der Leihmutter bereits vor der Geburt des Kindes und sogar noch vor der Geburt des Kindes erteilt wurde vor seiner Konzeption vorliegt (Art. 4 c) Abs. 4) und diese Einwilligung durch eine Zahlung oder Entschädigung jeglicher Art herbeigeführt wurde (Art. 4 c) Abs. 3).

– Gemäß dem Palermo-Protokoll und der Richtlinie zur Verhütung des Menschenhandels von 2011 sollte Leihmutterschaft als Menschenhandel betrachtet werden, da die Zustimmung der Leihmutter durch Täuschung eingeholt wird, nämlich durch die Täuschung darüber, dass die Leihmutter nicht die Mutter des Neugeborenen ist dass dieses Kind nicht ihr gehört und dass sie es nicht verkauft. (Art. 3 Abs. (b) in Verbindung mit Abs. (a) Palermo-Protokoll und Art. 2 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 der Richtlinie).

2) Kein Bedarf an zusätzlichen Rechtsinstrumenten um den Preis von Menschenrechtsverletzungen

– Kinder, die unter welchen Umständen auch immer geboren werden, haben ein Recht darauf, dass die rechtliche Elternschaft festgestellt wird.

– Der EGMR hat wiederholt geurteilt, dass die Staaten eine Möglichkeit bieten müssen, die rechtliche Abstammung eines Kindes, das im Rahmen einer Leihmutterschaft geboren wurde, festzustellen. Das übliche (und ausreichende) rechtliche Mittel dazu ist die Adoption.

– Der EGMR hat wiederholt geurteilt, dass die Mitgliedstaaten des Europarats nicht verpflichtet sind, eine ausländische Geburtsurkunde anzuerkennen, insbesondere wenn ihr Inhalt gegen die im innerstaatlichen Recht festgelegte Definition von Mutterschaft/Vaterschaft verstößt.

– Es ist weder notwendig noch sinnvoll, weitere Regeln für die Anerkennung der rechtlichen Elternschaft aufzustellen, da sie unweigerlich zu Menschenrechtsverletzungen führen würden (siehe Punkt 1 oben).

3) Die Praxis der Leihmutterschaft ist schädlich, die Praxis der Adoption liegt im besten Interesse des Kindes

– Leihmutterschaft und Adoption sind ihrem Wesen nach unterschiedliche Praktiken, die zwei grundlegend verschiedene Ansätze in Bezug auf die Rechte des Kindes widerspiegeln.

– Bei der Adoption geht es um die spezifischen Bedürfnisse des bereits geborenen Kindes, während bei der Leihmutterschaft die Wünsche der Erwachsenen in Bezug auf ein (noch) nicht existierendes Kind im Vordergrund stehen.

– Während es sich bei der Leihmutterschaft um die bewusste Beendigung bestehender Familienbeziehungen handelt (was an sich schon eine Verletzung der Menschenrechte darstellt, siehe oben), zielt die Adoption darauf ab, ein de facto verlassenes Kind in eine Familie aufzunehmen. Nur bei der Adoption kann davon ausgegangen werden, dass sie dem Wohl des Kindes dient.

4) Anerkennung des rechtlichen „Chaos“, das durch Leihmutterschaft entsteht

– Die seit 2016 tätige Arbeitsgruppe der HCCH stellt in ihrem Abschlussbericht aus dem Jahr 2022 klar, dass viele rechtliche Komplikationen dadurch entstehen, dass Elternrechte auf unterschiedliche Anknüpfungspunkte wie Genetik, Biologie oder Recht gestützt werden können. Daraus kann rechtliches Chaos folgen sowie unlösbar konkurrierende Ansprüchen sowohl im nationalen und erst Recht im grenzüberschreitenden Kontext.

– Das Mandat der Arbeitsgruppe ist in der Theorie nobel, da es darauf abzielt, das Chaos zu verringern. Die in Erwägung gezogenen Instrumente sind jedoch nicht geeignet, eine solche Reduzierung des Chaos tatsächlich herbeizuführen.

5) Regulierung wird Menschenrechtsverletzungen nicht verringern, sondern eher verstärken

– Die diesbezügliche Uneindeutigkeit des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe 2022 belegt eindrücklich die Tatsache, dass es keine Patentlösung für die aus Leihmutterschaftsarrangements notwendigerweise entstehende menschenrechtliche Gemengelage gibt.

– Jede Regelung, die es erlaubt, die Praxis der Leihmutterschaft im Verborgenen fortzusetzen, wird den „Fortpflanzungstourismus“ sowie die Ausbeutung von Frauen und den Kinderhandel in armen Ländern nur verstärken.

– Der scheinbar ehrbare Versuch, die Rechtsunsicherheit zu verringern, wird die Rechtsunsicherheit erhöhen, da er eindeutig das Potenzial hat, nationale Verbote der Leihmutterschaft bedeutungslos zu machen und effektiv dazu zu dienen, diese schädliche Praxis durch die „Hintertür“ des internationalen Privatrechts zu legalisieren.

6) Forderung nach der Einführung von Strafen für Ermöglicher und Förderer dieser Praxis

– Das hohe Ziel muss auf eine andere Weise angegangen werden. Das internationale Recht sollte darauf abzielen, den Schutz von im Zusammenhang mit Leihmutterschaft besonders verletzlichen Frauen und Kindern zu verbessern und durchzusetzen.

– Anstatt zu versuchen, internationale Leihmutterschaftsvereinbarungen leichter handhabbar zu machen, sollten die groben Menschenrechtsverletzungen, die sich aus dieser Praxis ergeben, ein striktes Verbot und hohe Geldstrafen zumindest für diejenigen zur Folge haben, die von internationalen Leihmutterschaftsvereinbarungen kommerziell profitieren, einschließlich Vermittlungsagenturen, Gesundheitseinrichtungen, Anwälte und medizinisches Personal.

– Indem man gezielt gegen die Akteure der Branche vorgeht, würde man die Täter, die Situationen emotionaler, sozialer und wirtschaftlicher Verletzlichkeit manipulieren, bestrafen und damit die Ausbeutung an der Wurzel packen, um das Wohl des Kindes, die Freiheit und die Sicherheit von Frauen, Kindern und Familien zu gewährleisten.

Hinweis: Diese Liste erhebt keineswegs den Anspruch, alle bekannten rechtlichen Komplikationen im Zusammenhang mit internationalen Leihmutterschaftsvereinbarungen aufzulisten. Ziel ist es vielmehr, von einem menschenrechtlichen Standpunkt auszugehen und die Kernfragen anzusprechen, die eine Regelung auf der Ebene des internationalen Privatrechts unweigerlich mit sich bringen würde.